Im zweiten Teil unserer IVDR-Blog-Reihe gehen wir näher auf das Thema der Klassifizierung von In-vitro-Diagnostika ein. Im Vordergrund steht dabei die Erläuterung des Unterschiedes zwischen dem aktuell noch geltenden Verfahren laut RL 98/79/EG – Übergangsfrist von fünf Jahren - und dem neuen risikobasierten Klassifizierungsansatz laut IVDR.
Die für In-vitro-Diagnostika aus der RL 98/79/EG bekannte Einteilung in Listen entfällt beim neuen Klassifizierungsverfahren laut IVDR zur Gänze.
Diese Einteilung in sogenannte Listen (wie oben beschrieben) birgt – bei näherer Betrachtung – einen risikobasierten Ansatz, ist jedoch nicht mit jenem aus der IVDR zu vergleichen, da hier der Hersteller die auf sein Produkt passende Klassifizierungsregel wählen und somit seinem IVD eine Klasse zuschreiben muss. Die Klassifizierung der In-vitro-Diagnostika laut IVDR verfolgt – vergleichbar mit jenem Klassifizierungsansatz der Medizinprodukte laut RL 93/42/EWG und MDR – einen stärker risikobasierten Ansatz. Je mehr Risiko ausgehend vom IVD – im bestimmungsgemäßen Gebrauch – desto höher die Klasse. Unterteilt werden die In-vitro-Diagnostika in die Klassen A – D (A = niedrigstes Risiko / D = höchstes Risiko). Die Zuweisung der Klassen erfolgt aufgrund der Zweckbestimmung des IVDs mittels Anhang VIII der IVDR und der darin zu findenden sieben Klassifizierungsregeln.
Regel 1
Produkte mit den folgenden Zweckbestimmungen werden der Klasse D zugeordnet:
Nachweis des Vorhandenseins von oder der Exposition gegenüber übertragbaren Erregern in Blut, Blutbestandteilen, Zellen, Geweben oder Organen oder in einem ihrer Derivate, um ihre Eignung für die Transfusion, Transplantation oder Zellgabe zu bewerten;
Nachweis des Vorhandenseins von oder der Exposition gegenüber übertragbaren Erregern, die eine lebensbedrohende Krankheit mit einem hohen oder mutmaßlich hohen Verbreitungsrisiko verursachen;
Bestimmung des Infektionsgrads einer lebensbedrohenden Krankheit, dessen Überwachung im Rahmen des Patientenmanagements von entscheidender Bedeutung ist.
Regel 2
Produkte, die zur Blutgruppenbestimmung oder Gewebetypisierung verwendet werden, um die Immunkompatibilität von für die Transfusion, Transplantation oder Zellgabe bestimmtem Blut, Blutbestandteilen, Zellen, Geweben oder Organen festzustellen, werden der Klasse C zugeordnet, es sei denn, sie werden zur Bestimmung eines der folgenden Marker eingesetzt:
ABNull-System [A (ABO1), B (ABO2), AB (ABO3)];
Rhesus-System [RH1 (D), RHW1, RH2 (C), RH3 (E), RH4 ©, RH5 (e)];
Kell-System [Kel1 (K)];
Kidd-System [JK1 (Jka), JK2 (Jkb)];
Duffy-System [FY1 (Fya), FY2 (Fyb)].
In diesem Fall werden sie der Klasse D zugeordnet.
Regel 3
Produkte werden der Klasse C zugeordnet, wenn sie folgende Zweckbestimmung haben:
a) Nachweis des Vorhandenseins von oder Exposition gegenüber einem sexuell übertragbaren Erreger;
b) Nachweis eines Infektionserregers ohne hohes oder mutmaßlich hohes Verbreitungsrisiko im Liquor oder im Blut;
c) Nachweis eines Infektionserregers, wenn ein signifikantes Risiko besteht, dass ein fehlerhaftes Ergebnis den Tod oder eine ernste gesundheitliche Schädigung der getesteten Person, des getesteten Fötus oder Embryos oder der Nachkommen der getesteten Person verursacht;
d) Feststellung des Immunstatus von Frauen gegenüber übertragbaren Erregern zum Zwecke des pränatalen Screenings;
e) Feststellung des Vorliegens einer Infektionskrankheit oder des Immunstatus, wenn das Risiko besteht, dass ein fehlerhaftes Ergebnis zu einer Patientenmanagemententscheidung führen würde, die eine lebensbedrohende Situation für den Patienten oder die Nachkommen des Patienten schafft;
f) Einsatz als therapiebegleitende Diagnostika;
g) Einsatz zur Stadieneinteilung einer Krankheit, wenn das Risiko besteht, dass ein fehlerhaftes Ergebnis zu einer Patientenmanagemententscheidung führen würde, die eine lebensbedrohende Situation für den Patienten oder die Nachkommen des Patienten schafft;
h) Einsatz zur Krebsvorsorge, -diagnose oder -stadieneinteilung;
i) Durchführung von Gentests beim Menschen;
j) Überwachung des Niveaus von Arzneimitteln, Stoffen oder biologischen Komponenten, wenn das Risiko besteht, dass ein fehlerhaftes Ergebnis zu einer Patientenmanagemententscheidung führen würde, die eine lebensbedrohende Situation für den Patienten oder die Nachkommen des Patienten schafft;
k) Management von Patienten, die an einer lebensbedrohenden Krankheit leiden oder deren Zustand lebensbedrohend ist;
l) Untersuchung auf genetisch bedingte Störungen beim Embryo oder Fötus;
m) Untersuchung auf genetisch bedingte Störungen bei Neugeborenen, wenn der fehlende Nachweis und die fehlende Behandlung dieser Störungen zu lebensbedrohenden Situationen oder ernsten gesundheitlichen Schädigungen führen können.
Regel 4
a) Produkte zur Eigenanwendung werden der Klasse C zugeordnet, ausgenommen Produkte zur Feststellung einer Schwangerschaft, zur Fertilitätsuntersuchung und zur Bestimmung des Cholesterinspiegels und Produkte zum Nachweis von Glukose, Erythrozyten, Leukozyten und Bakterien im Urin, die der Klasse B zugeordnet werden.
b) Produkte zur Verwendung in patientennahen Tests werden für sich allein klassifiziert.
Regel 5
Die folgenden Produkte werden der Klasse A zugeordnet:
a) Erzeugnisse für den allgemeinen Laborbedarf, Zubehör ohne kritische Merkmale, Pufferlösungen, Waschlösungen sowie allgemeine Nährmedien und histologische Färbungen, die vom Hersteller dafür vorgesehen sind, die Produkte für In-vitro-Diagnoseverfahren im Zusammenhang mit einer spezifischen Untersuchung einsetzbar zu machen;
b) Instrumente, die vom Hersteller speziell für die Verwendung bei In-vitro-Diagnoseverfahren vorgesehen sind;
c) Probenbehältnisse.
Regel 6
Produkte, die nicht unter die zuvor beschriebenen Klassifizierungsregeln fallen, werden der Klasse B zugeordnet.
Regel 7
Produkte, bei denen es sich um Kontrollgeräte ohne einen zugewiesenen quantitativen oder qualitativen Wert handelt, werden der Klasse B zugeordnet.
Für IVD-Hersteller und auch zuständige benannte Stellen ergeben sich aufgrund des neuen Klassifizierungsverfahrens neue Herausforderungen, da dieses eine Änderung des Konformitätsbewertungsverfahrens bedeuten kann. Vor allem der klarer definierte risikobasierte Klassifizierungsansatz lässt erkennen, dass der Fokus nun stärker auf dem individuellen klinischen Kontext des IVDs liegt.