Durch die zunehmende Globalisierung der Medizintechnik wird es für Hersteller immer wichtiger, die Produktentwicklung im Kontext von verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen durchzuführen. Diese kurze Blogserie stellt deshalb überblicksmäßig den rechtlichen Rahmen von zwei der größten Medizintechnikmärkte vor. Den Anfang macht der europäische Binnenmarkt.
Auf europäischer Ebene sind aktuell (noch) drei Richtlinien für Hersteller von Medizinprodukten von Relevanz:
Europäische Richtlinie | Produkte (beispielhaft) |
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RL 93/42 EWG über Medizinprodukte | Rollstühle, Röntgengeräte, Hüftimplantate… |
RL 98/79 EG über In-vitro Diagnostika | HIV-Tests, PSA-Screening-Tests, Tests zur Blutgruppenzugehörigkeit… |
RL 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte | Implantierbare Herzschrittmacher, Implantierbare Defibrillatoren… |
Zielgruppe der Richtlinien sind in erster Linie die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU – für Hersteller gibt die jeweilige nationale Umsetzung durch Medizinproduktegesetze (MPG) oftmals konkretere Informationen. Und dennoch, auf einige Teile der Richtlinien wird im Medizinproduktegesetz der Einfachheit halber nur verwiesen. Was heißt das nun konkret? Lesen Sie die nationalen Medizinproduktegesetze Ihrer angestrebten Märkte sorgfältig – zwar sind sich diese in großen Teilen ähnlich, beispielsweise bei Anforderungen an die Sprache der Gebrauchsanweisung gibt es jedoch wichtige nationale Eigenheiten. Studieren Sie zusätzlich die zutreffende europäische Richtlinie, wobei der Fokus auf den grundlegenden Anforderungen (Anhang I) und den Möglichkeiten zur Konformitätsbewertung gelegt werden sollte (z.B.: Anhänge II bis VII der RL 93/42 EWG).
Was Konformitätsbewertung in diesem Zusammenhang bedeutet? Im Zuge des Zulassungsprozesses wird die Konformität Ihres Produkts mit den grundlegenden Anforderungen bewertet, bei Niedrigrisikoprodukten können Sie das auch selbstständig durchführen. Mit steigendem Risikopotential Ihres Produkts benötigen Sie dafür allerdings zusätzlich eine unabhängige, benannte Stelle, welche die Konformität bestätigt. Dem Hersteller werden hierbei mehrere Möglichkeiten eingeräumt, mehr dazu in einem der nächsten Blogeinträge.
Sie werden vermutlich bemerkt haben, dass die grundlegenden Anforderungen zwar schlüssig, aber teilweise sehr allgemein formuliert sind. Gut, dass es hierfür das Konzept der harmonisierten Normen gibt. Harmonisiert deswegen, weil diese für den europäischen Wirtschaftsraum vereinheitlicht wurden. Nationale Normen, welche im Widerspruch zu diesen harmonisieren Normen stehen, müssen, meist nach einer Übergangsfrist, zurückgezogen werden. Die harmonisieren Normen übersetzen nun also die grundlegenden Anforderungen der Richtlinien in deutlich konkretere Anforderungen und stellen demnach eine wichtige Informationsquelle für Hersteller dar. Ein Auflistung der harmonisierten Normen ist im Amtsblatt der Europäischen Union zu finden. Eine wichtige Sache noch: Normen sind keine Gesetze, vielmehr stellen diese einen technischen Standard dar. Einen Standard, der ob der langen Prozesse vor der eigentlichen Veröffentlichung der Norm, teilweise nicht mehr aktuell ist. Es wird Ihnen als Hersteller deswegen auch die Möglichkeit eingeräumt, dass Sie von gewissen Anforderungen in der Norm abweichen können. Das ist allerdings nur zulässig, wenn Sie nachweisen können, dass Ihre Umsetzung mindestens den ursprünglichen Anforderungen genügt.
Zusammengefasst regeln aktuell drei europäische Richtlinien Anforderungen an Medizinprodukte, welche weiterführend in nationale Gesetze umgesetzt werden. Die in den Richtlinien definierten grundlegenden Anforderungen müssen von Ihnen als Hersteller erfüllt werden, wobei der Nachweis der Erfüllung bei vielen Produkten durch eine benannte Stelle bestätigt werden muss. Die harmonisierten Normen spielen als Hilfestellung für Hersteller von Medizinprodukten eine zentrale Rolle.
Erfahren Sie in den zukünftigen Blogbeiträgen Antworten zu wichtigen Fragen wie: