MEDDEV 2.7/1 revision 4 - CLINICAL EVALUATION: A GUIDE FOR MANUFACTURERS AND NOTIFIED BODIES

Die Erstellung und Pflege der klinischen Bewertung stellt oftmals eine große Herausforderung für Hersteller von Medizinprodukten dar. Grund hierfür ist, dass diese Tätigkeit eine tiefgehende Produktkenntnis in Kombination mit einem fundierten Methodenwissen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens erfordert.

Ziel der Aktivität der klinischen Bewertung ist in jedem Fall die Erstellung eines klinischen Risiko/Nutzen-Profils unter Rücksichtnahme der klinischen Wirksamkeit und des Sicherheitsprofils Ihres Medizinprodukts. Im Juni 2016 ist dazu eine aktualisierte Version des entsprechenden MEDDEV Guidance Documents 1) veröffentlicht worden. Dieses Dokument definiert nun deutlich detaillierter die Erwartungen der Behörden und der benannten Stellen an die Tätigkeiten der klinischen Bewertung.

Der Prozess der klinischen Bewertung

Eines vorweg: Der grundsätzliche Ablauf hat sich im Vergleich zu der letzten Version nicht geändert. Nachwievor

  1. wird die produkt- und anwendungsspezifische Zielsetzung definiert,
  2. folgen sämtliche Tätigkeiten einem vorher definierten Plan,
  3. werden klinische Daten gesammelt,
  4. wird die Relevanz der gefundenen klinischen Daten bewertet,
  5. werden die relevanten Daten analysiert und zu einem Bericht aufbereitet.

Die klinischen Daten werden als Ergebnis einer Literaturrecherche, einer klinische Prüfung oder aus einer Kombination erfasst - auch dieser Punkt stellt keine wesentliche Neuerung dar.

Post Market Clinical Follow Up

Die Phase der Marktüberwachung nach der erstmaligen Inverkehrbringung ist bereits in Richtlinien, nationalen Gesetzen und in harmonisierten Normen (EN ISO 14971) verankert. Dennoch wird deutlich, dass dieser Phase im Kontext der klinischen Bewertung deutlich mehr Gewicht zugesprochen wird. Die Häufigkeit dieser Aktualisierungen ist nun beispielsweise klarer definiert. Diese müssen bei Hochrisikoprodukten bzw. bei neuartigen Produkten jährlich und bei Produkten mit niedrigem Risikopotential bzw. bei etablierten Produkten alle 2-5 Jahre durchgeführt werden. Zusätzlich muss eine erneute Überprüfung anlassbezogen erfolgen, beispielsweise nach gemeldeten Vorfällen wie unerwünschten Ereignissen.

Im Zuge dieser Updates müssen inbesondere das Risiko/Nutzen Profil, die Wirksamkeit von Risikokontrollmaßnahmen und die in den Begleitinformationen enthaltenen Behauptungen auf Validität überprüft werden. Sämtliche Tätigkeiten müssen in einem Post Market Clinical Follow Up Plan definiert sein, welcher wiederum fixer Bestandteil der Dokumentation zur klinischen Bewertung sein muss.

Qualifikation der Autoren

Ebenfalls klarer definiert sind nun die erforderlichen Qualifikation der Autoren der klinischen Bewertung. Diese umfassen nun nachgewiesene Kenntnisse im Bereich der klinischen Wissenschaften (Studiendesign, Biostatistik), der medizinischen Anwendung (Krankheitsbild, Alternativtherapien) und der Anwendung (Produktmanagement). Diese Kenntnisse sind oftmals nur durch ein interdisziplinäres Team zu gewährleisten und erfordern ein hohes Maß an Koordination und Kommunikation.

Äquivalenzbetrachtung

Es ist zweifelsohne verlockend, die klinischen Daten von ähnlichen Produkten für die eigene klinische Bewertung heranzuziehen. Die Regeln dafür sind jetzt deutlich klarer festgelegt. Das vergleichbare Produkt muss hinsichtlich der klinischen, technischen und biologischen Eigenschaften ausreichend ähnlich sein.

Klinische Kriterien umfassen auszugsweise:

  • eine vergleichbare medizinische Indikation
  • eine vergleichbare Zweckbestimmung
  • ein vergleichbare Lokalisation der Anwendung
  • eine vergleichbare Prüfpopulation (Alter, Geschlecht, anatomische bzw. physiologische Gesichtspunkte…)

Technische Kriterien umfassen auszugsweise:

  • ein vergleichbares Design
  • vergleichbare Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sterilität, Betriebssystem…)
  • eine vergleichbare Spezifikation (Energieintensität, Pulsform, Partikelgröße, Viskosität, Oberflächeneigenschaften…)

Biologische Kriterien umfassen auszugsweise:

  • eine Verwendung von vergleichbaren Materialien bzw. Substanzen

Die Herausforderung besteht oftmals in der Definiton dieser Kriterien. Bis zu welchen Grenzen ist beispielsweise mein Produkt technologisch vergleichbar mit einem anderen Produkt? Es kann durchaus sein, dass hierfür einzelne nicht-klinische und klinische Studien durchgeführt werden müssen, um die Vergleichbarkeit mit einem bestehenden Produkt nachzuweisen. Ein konkretes Beispiel dazu kann hier abgerufen werden. In diesem Fall werden u.a. die Leistungsmerkmale eines diagnostischen Produkts mit bestehenden Produkten verglichen.

Die Gewichtung der o.g. Kriterien kann beispielsweise über eine semiquantitative Skala erfolgen - eine technologische Vergleichbarkeit, welche beispielsweise über eine Studie nachgewiesen wurde, kann hierbei mit einer hohen Punktezahl bewertet werden. Ist zusätzlich die klinische Anwendung ausreichend vergleichbar, stehen die Chancen nicht schlecht, dass Sie die klinischen Daten auch für Ihr Produkt heranziehen können.

Zusammenfassung

Die neue Version dieses MEDDEV Guidance Documents definiert viele Punkte klarer und hinterlässt deutlich weniger Interpretationsspielraum. Dieses ist insbesonders in Hinblick auf die Kommunikation mit benannten Stellen und Behörden begrüßenswert. Es ist allerdings auch eine Zunahme der klinischen Prüfungen zu erwarten, beispielsweise wenn es um die Vergleichbarkeit mit bestehenden Produkten geht.

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